Sonntag, 19. Dezember 2010

Jungendliche Höflichkeit aus der Hölle.

Er und ich trauen uns aus dem Haus, am Samstag Nachmittag, in der Weihnachtszeit. Wir wagen es sogar, Baden-Baden zu verlassen und machen uns auf den Weg nach Karlsruhe (sic! wir sind zwei ganz Wilde)...

Aber schon im Bus bereuen wir unsere wilde Entscheidung. Abgesehen davon, dass die 201 tradionell ein voller Bus ist, hat sich in diesem Bus eine Gruppe jugendlicher Gruselgestalten in Form vom 13jährigen eingenistet.

Um eines klarzustellen: Er und ich sind noch nicht so alt, dass wir wirklich Angst vor jungen Leuten hätten, auch wenn sie in allen möglichen bizarren Verkleidungen daherkommen, die es in unserer Jungend noch nicht gab. Abgesehen davon haben wir lang genug in B- N*****n gelebt, dass uns Pöbeleien im Bus nicht mehr schockieren können, genausowenig wie eine dumme Anmache, eine Beleidung oder gar eine mehr oder weniger sexuelle Belästigung. Damit können wir umgehen.

In Baden-Baden aber haben die jungen Leute etwas entwickelt, was erschreckender ist, als jede nächtliche Fahrt mit dem S-Bahn-: Höflichkeit!

Ein Doppelplatz wird frei und er und ich steuern darauf zu, wir müssen ja noch bis zum Bahnhof durchhalten. Ich sitze schon, da dräng sich ein Stöpsel mit Sportjacke und -hose sowie Basecap vor ihn und fragt
Darf ich mich da hinsetzen?
Er ist ja ein höflicher Mann und bietet dem Jungen erstmal meinen Schoß an (Bitch! -.-). Das checkt der höfliche Boy gar nicht und Adrian setzt sich statt seiner auf meinen Schoß, der Junge neben uns. Adrians Rucksack legt er sich auf den Schoß, er will ja nicht, dass wir zu wenig Platz haben (...)

Vertraulich schwatzt der Junge mit uns.
Scheißvoll, ich kann echt nicht mehr stehen, Alter. Baden-Baden, echt [...]
So geht es weiter, immer mit diesem bizarren Tonfall beunruhigender Höflichkeit. Ich komm da nicht drauf klar. Die ganze Zeit musste ich mich zurückhalten, Adrians Rucksack festzuhalten.

Der beste Freund unseres minderjährigen Nebensitzers sieht aus wie ein als Gangster getarnter Nerd: Eine Brille, die seine Auge mehrfach vergrößert, dagegen aber weite Gangsta-Klamotten und eine ähnliche Attitude, wie unser Sitznachbar. Der ergeht sich plötzlich, immer noch schön höflich, in weiteren Verbrecherphantasien und zieht sich sein "Pali" über das Gesicht. Sein Nerd-Freund schaltet sich gleich ein:
Vorsicht, Alter. In Deutschland gibts nen Vermummungsgebot.
Ich weise ihn - ich bin ja auch höflich - nicht darauf hin, dass es nicht gerade ein Gebot ist, kann aber den Nerd in mir nicht ganz zurückhalten.
Das gilt aber nur auf Demonstrationen.
Besserwissen scheint zu helfen. Puh. Ich fühlte mich schon langsam wirklich bedroht von dieser penetranten Höflichkeit. Manchmal fühle ich mich einfach alt.

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